Rosarote Gedanken zum GAUDETE  Sonntag

Vor Jahren wurden wir bei einem Seminar einmal gefragt:  Was ist für euch die schwierigste Bibelstelle? Wir hatten alle möglichen Vorschläge, aber die Antwort des Referenten hat uns sehr überrascht: Es handelt sich für ihn um die Bibelstelle:
„Freut euch  im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich euch: Freuet euch!
Denn der Herr ist nahe.“ (Phil 4,4-5)

Diese Stelle hören wir als Eröffnungsvers am kommenden Gaudete Sonntag (3. Adventsonntag). Mir stellen sich bei diesem Bibelvers noch heute die Nackenhaare auf und ich habe alle möglichen „ABER“-Sätze auf Lager, die diesen Satz in Frage stellen:

Aber es gibt doch so viele Schreckensmeldungen in unserer Welt.

Aber es gibt doch so viel Leid und so viele Sorgen auf der Welt und in unserem Leben.

Uns so weiter und so fort.

Hier kann sicher jeder von euch seine „ABER-SÄTZE“ einsetzen.

Wie konnte Paulus bloß einen solchen Satz in seinen Brief an die Phillipper schreiben? Was hat er uns da angetan? Hat er auf einer Insel der Seligen gelebt und nichts von der Welt mitbekommen?  Das kann es auch nicht sein:

Als Paulus diese Zeilen schrieb, saß er im Gefängnis und musste mit seinem baldigen Tod rechnen. Er lebte alles andere als ein sorgenfreies Leben. Sein ganzes Leben war ein leidvoller Kampf für das Evangelium. Und dann schreibt er einen solchen Satz und das nicht einmal schüchtern und leise, nein er wiederholt ihn sogar nochmals: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Nochmals sage ich: Freut euch!

Mich erinnert dieser Satz an Dietrich Bonhöffer, der im KZ kurz vor seinem Tod den berühmten Liedtext geschrieben hat: „Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend um am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Was hat diesen beiden Männern bloß eine solche Hoffnung gegeben?

Eine kleine Auflösung finden wir im Satz: „Der Herr ist nahe“. Paulus wusste, wofür und woraufhin er lebte: Dieses Wissen erfüllte ihn mit großer Freude. In der Adventszeit feiern wir gerade das: Gott ist uns Menschen so nahe gekommen, dass er selbst Mensch wird.

Der kommende Sonntag hat auch eine eigene liturgische Farbe: Rosarot.

Diese Farbe wird nur zweimal im Jahr in der Liturgie verwendet: Am dritten Adventsonntag und am vierten Sonntag in der Fastenzeit („Laetare“ Sonntag – das heißt übersetzt „Freue dich!“)

Zweimal im Jahr werden wir eingeladen, sozusagen durch die rosarote Brille des Evangeliums, der frohen Botschaft auf die Welt zu blicken, weil wir daran glauben dürfen, dass der Herr uns nahe ist! Mit der rosaroten Brille meine ich nicht einen unreflektierten, einseitig positiven Blick z.B. der ersten Verliebtheit. Unter der rosaroten Brille verstehe ich einen grundlegenden Wandel im Denken, das mehr die Frohbotschaft als die vielen Aber-Sätze im Blick hat.

Frage für den Alltag:  Was ist für mich heute ein Anlass zur Freude, wo ich erahnen kann, dass der Herr mir nahe ist?

Roland Sommerauer